Keine Kürzung des Elterngeldes in Höhe des Arbeitnehmer-Pauschbetrages bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beim Progressionsvorbehalt!

Das im Jahr 2006 eingeführte Elterngeld nach § 1 BEEG stellt eine soziale Wohltat des Staates mit ordnungspolitischen Zweck dar und ist deshalb nach § 3 Nr. 67 EStG steuerfrei. Allerdings unterliegt das Elterngeld dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG. Ob das Elterngeld hierfür um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zu kürzen ist, entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 25.9.2014 (III R 61/12, BStBl 2015 II 182).

1. Nichtselbständige Einkünfte und Elterngeld

Vereinfacht zusammengefasst erzielte der Steuerpflichtige im Streitjahr 2009 Arbeitslohn von € 35.970. Hierfür erklärte er Werbungskosten von € 1.142. Das bezogene Elterngeld betrug Euro € 1.359. Gegenüber dem Finanzamt wünschte der Steuerpflichtige die Kürzung des Elterngeldes für Zwecke des Progressionsvorbehaltes um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von im Streitjahr damals € 920,00.

Ebenso wie der Steuerpflichtige sah dies auch die Vorinstanz des Niedersächsischen FG (Urteil vom 14.2.2012 - 12 K 6/11). Denn nach dem Wortlaut des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG erfolgt eine entsprechende Kürzung des Progressionsvorbehalt, soweit dieser Pauschbetrag nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar ist. Genau diese Voraussetzung sei erfüllt, weil der Pauschbetrag wegen der tatsächlichen Werbungskosten noch nicht verbraucht sei.

2. Keine Kumulation von Arbeitnehmer-Pauschbetrag und tatsächlich höheren Werbungskosten bei nichtselbständigen Einkünften!

Die Auslegung des Finanzgerichtes ist nach Auffassung des BFH zwar möglich, aber vorliegend dann eben doch nicht. Danach kann das Elterngeld nicht noch um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gekürzt werden, weil der Steuerpflichtige bereits seine höheren Werbungskosten bei der Einkommensermittlung abgezogen hatte.

Der BFH begründet dies rechtssystematisch mit folgender – im Urteilsfall allerdings gar nicht relevanten – Betrachtung: Würde ein Steuerpflichtiger Arbeitslohn aus zwei Arbeitsverhältnissen erhalten, so könne dieser auch nicht für das eine Arbeitsverhältnis die tatsächlichen Werbungskosten geltend machen und für das andere den Arbeitnehmer-Pauschbetrag abziehen. Abzugsfähig bei beiden Arbeitseinkünften sind stattdessen entweder nur die tatsächlichen (höheren) Werbungskosten oder eben der Pauschbetrag.

Entsprechend sei es nach der Intention des Gesetzgebers für die Berechnung des Progressionsvorbehaltes nicht möglich, die tatsächlichen Werbungskosten bei der Einkommensermittlung anzusetzen und das Elterngeld noch um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zusätzlich zu kürzen.

Der Leitsatz der Entscheidung ist allerdings irreführend. Hierzu heißt es im veröffentlichten Urteil:

„Zur Berechnung des Progressionsvorbehaltes sind steuerfreie Leistungen ... nicht um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag zu vermindern, wenn ... den Pauschbetrag übersteigende Werbungskosten abgezogen wurden.“

Diese Formulierung lässt im Umkehrschluss vermuten, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag dann abgezogen wird, wenn die Werbungskosten diesen unterschreiten. Das ist aber nach der Begründung im BFH-Urteil auch nicht der Fall. Vielmehr kommt es generell zu keiner Kürzung der steuerfreien Leistung um den Pauschbetrag, ganz gleich, in welcher Höhe Werbungkosten bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt wurden.

Es ist deshalb für eine Anwendung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG nur eine einzige Fallkonstellation denkbar, bei der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vorliegen und ein noch nicht verbrauchter Arbeitnehmer-Pauschbetrag beim Elterngeld abzugsfähig wäre. Dann nämlich, wenn es sich um derart geringen Arbeitslohn handelt, dass dieser den Pauschbetrag unterschreitet.

Wenn der Steuerpflichtige beispielsweise Arbeitslohn in Höhe von € 700 bezieht, dann beträgt Arbeitnehmer-Pauschbetrag beträgt ebenfalls € 700. Für den Progressionsvorbehalt würde nach dem derzeit gültigen Arbeitnehmer-Pauschbetrag von € 1.000 der noch nicht verbrauchte Rest in Höhe von € 300 vom Elterngeld abgezogen werden können.

Allerdings dürfte bei derlei Einkommensverhältnissen keine Steuerentlastung dieser Art erforderlich sein. Damit geht die Kürzung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach der Rechtsanwendung des BFH mangels Praxisrelevanz ins Leere gehen.

3. Hingegen Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrages bei selbstständigen Einkünften!

Bemerkenswerterweise kommt es beim Vorliegen anderer Einkunftsarten außer nach § 19 EStG durchaus zu einer Kürzung des Elterngeldes in Höhe des Arbeitnehmer-Pauschbetrages. Die Finanzverwaltung aber auch der BFH wenden § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG dann an, wenn eben keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorliegen.

Derselbe Steuerpflichtige im Jahre 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 35.970 erzielte und sich seine Betriebsausgaben auf € 1.142 beliefen, würde das bezogene Elterngeld von € 1.359 um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von € 920 gekürzt werden, obwohl die Einkunftsverhältnisse betragsmäßig identisch mit denen im Urteilsfall sind.

Diese unterschiedliche Behandlung nach Einkunftsarten ist schwer zu begründen. Das Finanzgericht hatte in seinem Urteil deshalb auch die Gewährung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages bei Einkünften nach § 19 EStG zwecks Gleichbehandlung bejaht. Dem BFH nach bedarf es dieser Gleichbehandlung gleichwohl nicht. Der Gesetzgeber habe diese „– in der Praxis wohl eher seltene“ – Bevorzugung von Steuerpflichtigen mit anderen Einkunftsarten „bewusst in Kauf genommen“ (BT-Drucks. 11/2157 S. 150).

In der Beratungspraxis zeigt sich jedoch, dass diese Bevorzugung gar nicht einmal so selten vorkommt. Selbst wenn, so hätte es hier doch einer revisionsrechtlichen Prüfung gegen die vermeintliche Ansicht des Gesetzgebers bedurft. Inzwischen ist gegen die Entscheidung des BFH die Verfassungsbeschwerde unter dem Aktenzeichen 2 BvR 3057/14 anhängig.

4. Alternative Rechtsanwendung

Die Entscheidung des BFH ist mit Blick auf den Gesetzeswortlaut nicht zwingend. Denn es wäre auch eine andere Lösung denkbar. Danach hätte man eine Kürzung des angesetzten Elterngeldes vornehmen können, soweit die tatsächlichen Werbungskosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen. Hierdurch wäre dem vom BFH in seinem Urteil selber ausgeführten Aspekt der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in sehr viel höherem Maße Rechnung getragen worden. Zugleich würde dies die derzeit unterschiedliche Kürzung nach Einkunftsarten beseitigen.

5. Zusammenfassung

Treffen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Elterngeld zusammen, wird letzteres unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Werbungskosten nicht um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag gekürzt. Hingegen erfahren Bezieher anderer Einkunftsarten, insbesondere gewerblicher und selbstständiger Arbeit, in Höhe dieses Pauschbetrages eine Kürzung des Elterngeldes unabhängig von der Höhe ihrer Betriebsausgaben. Die anstehende verfassungsrechtliche Überprüfung dieser unterschiedlichen Rechtsanwendung bleibt abzuwarten.

Ebenso bestünde auch die Möglichkeit, bei allen Einkunftsarten eine Kürzung des angesetzten Elterngeldes insoweit vorzunehmen, als die Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen.

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