Erstattungsüberhänge bei Sonderausgaben

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Neuerungen durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011

Der steuerliche Abzug von Sonderausgaben ist durch das Zufluss-Abflussprinzip geprägt. Dabei wird ein positiver Betrag von Sonderausgaben unterstellt. Gesetzlich ungeregelt war bislang die Erstattung von Sonderausgaben. Da es "negative" Sonderausgaben nicht gibt, wurden Erstattungsüberhänge systembrüchig im Jahr ihrer wirtschaftlichen Veranlassung nacherfasst. Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 hat der Gesetzgeber nun eine Regelung für diese Fälle getroffen.

1. Bisherige Handhabung: Rücktrag

Zugegeben: Der Fall ist selten, dass einem Steuerpflichtiger Beiträge, die als Sonderausgaben berücksichtigt worden waren, in einem späteren Zeitraum erstattet werden. Dies gilt jedenfalls für die Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 2 bis 3a EStG. Anders verhält es sich mit der Kirchensteuer. Deren Erstattung für vorausgegangene Steuerjahre ist ein regelmäßig vorkommender Sachverhalt.

Noch seltener ist der Fall, dass die erstatteten Beträge die im selben Jahr gezahlten Sonderausgaben übersteigen. Ein solcher Erstattungsüberhang fand bislang keine gesetzliche Regelung. Doch "negative Sonderausgaben" sieht das Berechnungsschema der Einkommensteuer nicht vor. Deshalb entwickelten die Finanzverwaltung und dieser folgend die Rechtsprechung einen Mechanismus, nach dem erstattete Sonderausgaben zu verrechnen waren:

  • Horizontale Verrechnung in demselben VZ gleichartiger Sonderausgaben;
  • Rücktrag eines verbleibenden Erstattungsüberhanges in den vorherigen VZ.

Die danach vorzunehmende Verrechnung gleicht sehr der Regelung des § 10d EStG, nur dass es an einer solchen Gesetzesregelung fehlte. Verfahrensrechtlich erfolgte der Rücktrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dies führte ggf. zu einer Verzinsung der dadurch ausgelösten Einkommensteuerzahlung. Gleichzeitig war die damit verbundene Kirchensteuerzahlung wiederum im Jahr der Zahlung als Sonderausgabe abzugsfähig.

Hierdurch konnte es gerade bei erstatteter Kirchensteuer zu einer Kaskadenänderung kommen. Dabei führte die rückwirkende Verrechnung im Rücktragsjahr zu einem neuen Erstattungsüberhang. Dieser löste dann seinerseits eine weitere rückwirkende Änderung wegen Erstattungsüberhanges aus.

Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang ein Urteil des Finanzgerichtes Münster. Danach wird eine Kaskadenänderung nicht ermöglicht, wenn zwischen dem Jahr der Erstattung und dem Verrechnungsjahr ein Jahr ohne Kirchensteuerabzug liegt. Denn in diesem Fall fehlt es an einer wirtschaftlichen Entlastung durch den Erstattungsrücktrag in dem betreffenden Jahr. Ein weitergehender Rücktrag hat dann zu unterbleiben.

Die beschrieben Systematik bleibt trotz der Gesetzesänderung ab dem Jahr 2012 weiterhin für Erstattungsüberhänge bis einschließlich 2011 gültig.

2. Neuregelung ab dem Jahr 2012: Hinzurechnung als Einkünfte

Die aufwendige Änderung von Steuerbescheiden und damit verbundenen Steuerzahlungen entfallen bei Erstattungsüberhängen ab dem Jahr 2012. Hierzu sieht § 10 Abs. 4b EStG n.F. eine Verrechnung der Erstattungen mit Aufwendungen der jeweiligen Nummer für Sonderausgaben der § 10 Abs. 1 Nr. 2-3a EStG vor. Dasselbe gilt für Kirchensteuerbeträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG.

Es kommt hierdurch zu einer Trennung der jeweiligen Sonderausgabenarten. Somit bleibt insbesondere der Sonderausgaben-Abzug von Beiträgen für die Basisversorgung (Krankenversicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG) von einer Verrechnung mit Erstattungen anderer Sonderausgabenarten verschont. Dies war im Regierungsentwurf noch anders vorgesehen.

Künftig werden also Sonderausgaben vorrangig innerhalb derselben Sonderausgaben-Nummer mit etwaigen Erstattungen verrechnet. Ein danach verbleibender Überhang wird dann dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet. In gleicher Weise werden Zuschüsse zu diesen Sonderausgaben behandelt.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte erhöht sich mit allen steuerlichen und rechtlichen Konsequenzen, die an dessen Höhe knüpfen: Verlustausgleich nach § 10d EStG, Spendenabzug, Kindergeldansprüche, Unterhaltsberechnungen u.a.

3. Zusammenfassung

Die bis zum Jahre 2011 vorgesehen rückwirkende Änderung von Steuerbescheiden durch Erstattungsüberhänge bei den Sonderausgaben entfällt ab dem Jahr 2012. Hierbei werden Erstattungen und Zuschüsse nur mit Sonderausgaben der jeweiligen Nummer des § 10 Abs. 1 Nr. 2 bis 3a EStG verrechnet. Ein Überhang wird dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet. Dies hat entsprechende Rechtsfolgen für davon abhängige steuerliche oder rechtliche Bezugsgrößen.

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