Nachträgliche Zinsaufwendungen bei Vermietungseinkünften und wesentlichen Beteiligungen

Seit vielen Jahren schon rühren nachträgliche Finanzierungskosten nach Versiegen der Einkommensquelle an den Grundfesten der Einkommensteuer. Die Finanzrechtsprechung hat hierzu über die Jahre verschiedene Entscheidungen hervorgebracht. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den maßgeblichen BFH-Urteilen betreffend die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und nach der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen.

1. Nachträgliche Schuldzinsen bei Vermietungseinkünften

a) Fremdfinanzierte Erhaltungsaufwendungen

Erstmals entschied der BFH für Überschusseinkünfte (hier nach § 21 EStG) über den Werbungskostenabzug, nachdem das Vermietungsobjekt bereits veräußert war.

Im Streitfall erzielte der Kläger über mehrere Jahre Vermietungseinkünfte. Vor Veräußerung des Objektes hatte er sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen durch einen Kredit finanziert. Nach Veräußerung des Objektes reichte der Erlös nicht aus, um dieses Darlehen abzulösen.
Der BFH sah den Umstand des nicht ausreichenden Veräußerungserlöses als ausreichend dafür an, die weiterhin anfallenden Zinsen nach Beendigung der Vermietungstätigkeit als nachträgliche Werbungskosten anzuerkennen (BFH v. 16.9.1999 – IX R 42/97, BStBl II 2001, 528).

Mit seinem Urteil nahm der BFH einen kleinen Paradigmenwechsel vor. Denn erstmals anerkannte er nachträgliche Werbungskosten bei Überschusseinkunftsarten an. Bereits damals stellte sich die Frage, ob diese Sichtweise auch bei Veräußerungen nach § 17 EStG einschlägig wäre (Gebhardt, EStB 2002, S. 30 f.).
Die Finanzverwaltung hatte sich der Rechtsprechung des BFH angeschlossen und erweiterte deren Anwendung zusätzlich auf Fälle, in denen ein Objekt nach Vermietungstätigkeit zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird oder dauerhaft leer steht und ein erzielbarer Veräußerungserlös nicht zur Darlehenstilgung ausreichen würde (BMF v. 18.7.2001, BStBl I 2001, 513).

Die Rechtsprechung des BFH erfuhr dann noch eine Ergänzung. Danach sind gezahlte Schuldzinsen für einen Kredit zur Finanzierung sofort abziehbarer Erhaltungsaufwendungen selbst dann abziehbar, wenn der Erlös aus dem Verkauf der Immobilien nicht zur Ablösung des Darlehens verwendet werden (BFH v. 12.10.2005 – IX R 28/0, BStBl II 2006, 407).

Auch diese Rechtsprechung wurde durch die Finanzverwaltung akzeptiert, verlangte jedoch darüber hinaus, dass die Einkünfteerzielungsabsicht vor Veräußerung der Immobilie noch nicht aufgegeben worden sein durfte (BMF v. 3.5.2006, BStBl I 2006, 354).

b) Fremdfinanzierte Anschaffungs- und Herstellungskosten bei Veräußerung …

… innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung:

Nach dem damaligen Urteil wären Zinsen für Anschaffungs- oder Herstellungskosten, insbesondere auch nachträglicher Herstellungskosten noch nicht als nachträgliche Werbungskosten anerkannt worden. Die Fortentwicklung der geänderten BFH- Rechtsprechung musste etwas auf sich warten lassen.

Der Kläger hatte ein Vermietungsobjekt größtenteils durch Fremdfinanzierung erworben. Innerhalb des zehnjährigen Spekulationszeitraumes nach § 23 EStG veräußerte er die Immobilie. Der Veräußerungserlös reichte nicht aus, um das Restdarlehen abzulösen.

In Änderung seiner Rechtsprechung (BFH v. 25.4.1995 – IX R 114/92) erkannte der BFH den Abzug der nachlaufenden Zinsen als nachträgliche Werbungskosten an. Zur Begründung verwies der BFH auf die gesetzlich erweiterte Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre. In dem Maße, wie der Gesetzgeber danach Wertsteigerungen im Privatvermögen steuerlich erfassen wolle, sei es folgerichtig, den nachträglichen Schuldzinsenabzug bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszuweiten (BFH v. 20.6.2012 – IX R 67/10, BStBl II 2013, 275, abgrenzend BFH v. 21.1.2014- IX R 37/12, BStBl II 2015, 631).
Diese Argumentation ist bemerkenswert. Denn Auslöser war ein verwirklichter Tatbestand nach § 23 EStG, nicht nach § 21 EStG.

Erforderlich für den weiteren Werbungskostenabzug ist allerdings eine vorrangige Schuldentilgung. Der erzielte Erlös muss also zwingend für die Ablösung des verbleibenden Darlehens verwendet werden, soweit dieser nicht ausreicht.

Hier unterscheidet sich die Voraussetzung für den nachträglichen Abzug gegenüber der Finanzierung sofort abzugsfähiger Erhaltungsaufwendungen. Diese Unterscheidung lässt die Finanzverwaltung für Veräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.2013 nicht mehr gelten. Danach ist auch für nachträgliche Schuldzinsen fremdfinanzierter Erhaltungsaufwendungen eine vorrangige Schuldentilgung erforderlich (BMF v. 15.1.2014, BStBl I 2014, 108, abgrenzend BMF v. 27.7.2015, BStBl I 2015, 581).

Die günstigere BFH-Rechtsprechung hierzu ist weiterhin gültig und sollte erforderlichenfalls durch Rechtsbehelf verfolgt werden.

… und außerhalb des zehnjährigen Spekulationszeitraumes:

Die spannende Frage war nun, ob nachträgliche Schuldzinsen auch dann abzugsfähig wären, wenn die Veräußerung der Vermietungsimmobilie nach Ablauf des zehnjährigen Spekulationszeitraumes und somit außerhalb der Einkünfte nach § 23 EStG erfolgt.

Diese weite Anwendung der neuen BFH-Rechtsprechung lehnte die Finanzverwaltung ab (BMF v. 28.3.2013, BStBl I 2013, 508). Allein der BFH sah es anders und bejahte auch einen nachträglichen Schuldzinsenabzug bei Veräußerung außerhalb des zehnjährigen Zeitraumes nach § 23 EStG. Die übrige Voraussetzung des nicht ausreichenden Erlöses für die Schuldentilgung blieb bestehen (BFH v. 8.4.2014 – IX R 45/13, BStBl II 2015, 635).

2. Nachträgliche Schuldzinsen bei Aufgabe wesentlicher Beteiligungen

a) Rechtsstand bis zum 31.12.2008

Die Rechtsprechung des BFH zu den §§ 21, 23 EStG warf unmittelbar die Frage auf, ob auch andere Einkunftsarten betroffen sein könnten, insbesondere die Veräußerung nach § 17 EStG. Hierzu erhielt der BFH dreimal Gelegenheit, seine Ansicht zu äußern.

Die Kläger waren jedenfalls nach dem Rechtsstand ab dem 1.1.1999 an einer GmbH wesentlich beteiligt gewesen. Deren Anteile wurden veräußert bzw. gingen nach Konkurs bzw. Liquidation unter. Für die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft fielen Zinsen an.

Der BFH sah einen Veranlassungszusammenhang zwischen den geleisteten Schuldzinsen und der Einkünfteerzielung nach § 17 EStG. Entsprechend waren die Zinsen als nachträgliche Werbungskosten abziehbar. Die Begründung für diese Rechtsanwendung sieht der BFH in der ab dem Jahr 1999 erfolgten gesetzlichen Ausweitung des Tatbestandes nach § 17 EStG für Beteiligungen ab 1% am Grundkapital BFH v. 29.10.2013 – VIII R 14/11 und 15/11, ebenso bereits BFH v. 16.3.2010 VIII R 36/07 und 20/08).

Für seine Entscheidung kam es dem BFH auch nicht darauf an, dass die GmbH-Beteiligung zum Teil bereits vor der Änderung des Rechtsstandes 1. 1. 1999 untergegangen war. Vielmehr sei allein auf die steuerlichen Verhältnisse des Streitjahres abzustellen. In diesem hatten die Steuerpflichtigen Zinsen gezahlt, die auf einer Darlehensverpflichtung beruhen, die entscheidend durch seine Beteiligung an der GmbH ausgelöst war.

Der Zusammenhang mit der Veräußerung nach § 17 EStG entspricht dem des § 23 EStG für nachträgliche Zinsen aus Vermietungstätigkeit. Dieser Aspekt ist deshalb relevant, weil der BFH in einer späteren Entscheidung seine Argumentation abwandelte.

b) Rechtsstand ab dem 1.1.2009

Mit der Einführung der Abgeltungssteuer für Kapitaleinkünfte ab dem 1.1.2009 ging korrespondierend die Streichung des Werbungskostenabzuges einher. Durch § 32d EStG war für sogenannte unternehmerische Beteiligungen jedoch eine Option möglich, durch die Werbungskosten im Zusammenhang mit Kapitalerträgen hieraus zu 60% weiterhin abzugsfähig bleiben.

Gleich in zwei Fällen nutzte der BFH die Gelegenheit, seine Rechtsansicht umzustellen:

Der erste Fall betraf eine wesentliche Beteiligung, die der Kläger im Jahre 2001 veräußert hatte. Aus der Finanzierung waren ihm weiterhin Darlehenszinsen entstanden. Deren Abzug als nachträgliche Werbungskosten versagte das Finanzamt ab dem ab dem Jahr 2009.

Der zweite Fall betraf eine wesentliche Beteiligung, die im Jahre 2007 durch Insolvenz und Auflösung der Kapitalgesellschaft untergegangen war. Der Kläger wurde aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen. Die ab dem Jahr 2009 hierfür entrichteten Zinsen erkannte das Finanzamt ebenfalls nicht mehr als nachträgliche Werbungskosten an.

Diese Rechtsanwendung bestätigte der BFH. Hierzu verwies er auf den Systemwechsel zur Abgeltungssteuer, die einen Werbungskostenabzug nach § 32d EStG dann ausschließt, wenn keine Kapitalerträge mehr aus der ursprünglichen Beteiligung erzielbar sind (BFH v. 1.7.2014 – VIII R 53/12 sowie BFH v. 21.10.2014 – VIII R 48/12, BStBl II 2015 S. 270).
Die generelle Versagung des WK-Abzuges bei Kapitaleinkünften sieht der BFH durch die Einführung der Abgeltungssteuer zugleich als verfassungsgemäß an.

Eine andere Beurteilung kann sich ergeben, wenn die Insolvenz oder eine Liquidation noch nicht abgeschlossen ist und noch Kapitalerträge oder Liquidationsraten zu erwarten sind. In diesem Fall soll die bloße abstrakte Möglichkeit künftiger Kapitalerträge für einen gegenwärtigen Schuldzinsenabzug wohl ausreichen (BMF v. 9.10.2012, BStBl I 2012, 953, Rz. 143).

3. Kritik:

Im Ergebnis rudert der BFH wieder zurück, nachdem er zunächst noch einen nachträglichen Schuldzinsenabzug bei Aufgabe wesentlicher Beteiligungen nach § 17 anerkannte. Diese Kehrtwendung ist nur vordergründig mit der Rechtssystematik der Abgeltungssteuer begründet. Denn wenn der Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzinsen und Veräußerung der wesentlichen Beteiligung zu sehen ist, dann handelt es sich ihrem Wesen nach auch nicht um Werbungskosten nach § 20 EStG, sondern um Betriebsausgaben nach § 17 EStG (vgl. auch BFH v. 20.8.2013 – IX R 1/13). In der Veranlagungspraxis des § 24 EStG spielte diese Unterscheidung bislang keine Rolle, weil sich hierdurch keine abweichende Einkommensteuer ergab.

Soweit der BFH jedoch den Veranlagungszusammenhang bislang mit dem Veräußerungstatbestand nach § 17 EStG bejahte, muss dies folgerichtig auch ab dem Systemwechsel im Jahr 2009 weiter gelten. Die nachträglichen Zinsen fallen dann als negative Einkünfte der §§ 17 und 24 EStG nicht unter die Anwendung des § 32d EStG. Denn vorrangig geht es nicht um die Ausübung der Option nach § 32d EStG, sondern um nachträgliche Aufwendungen nach den §§ 17 und 24 EStG.

Hier zeigt sich eindrucksvoll der alte Wertungswiderspruch, wonach Erträge aus wesentlichen Beteiligungen zu Überschusseinkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG führen, eine Veräußerung der Beteiligung selber jedoch gewerbliche Gewinneinkünfte nach § 17 EStG darstellen soll.

4. Zusammenfassung:

Für nachträgliche Schuldzinsen aus Vermietungsobjekten ist ein Werbungskostenabzug möglich. Voraussetzung hierfür ist, dass der Erlös aus dem Vermietungsobjekt nicht ausreicht, eine bestehende Restschuld abzulösen. Dies gilt auch dann, wenn das Vermietungsobjekt außerhalb des zehnjährigen Spekulationszeitraumes nach § 23 EStG veräußert wurde.

Bei der Finanzierung wesentlicher Beteiligungen oder Bürgschaften hierfür bejaht der BFH einen nachträglichen Werbungskostenabzug (bzw. Betriebsausgabenabzug) bis einschließlich des Jahres 2008. Durch die ab dem Jahre 2009 geltende Abgeltungssteuer wird ein nachträglicher Schuldzinsenabzug hingegen bei wesentlichen Beteiligungen verneint, wenn die Beteiligung aufgegeben worden ist.

Diese Rechtsanwendung ist wegen § 24 EStG nicht folgerichtig, wenn und soweit der BFH bislang die nachträglichen Schuldzinsen als durch die Einkunftsart des § 17 EStG veranlasst ansieht. Dies dürfte dann auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz mit den §§ 21, 23 und 24 EStG für nachträgliche Vermietungseinkünfte widersprechen.

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